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  • Miu

Engagement bitte nur Sonntags

Die Bedeutung eines Streiks und der Effekt von Größe


Am 20. August 2018 fand der erste „Schulstreik für das Klima“ statt. Mehr als ein Jahr später ist aus einer einzelnen Demonstration der Aktivistin Greta Thunberg eine Bewegung mit hunderttausenden Teilnehmern geworden. Allein in Berlin sollen es laut den Aktivisten am 20. September 2019 (Globaler Streik) 270. 000 Demonstranten gewesen sein.

Doch mit der Teilnehmeranzahl steigt (natürlich) auch die Bekanntheit der Bewegung und somit auch die Menge der verschiedenen Meinungen. In Schulen wird darüber diskutiert. Kabarettisten reden über die Klimastreiks und über Greta Thunberg selbst. Googelt man „Fridays-For- Future“, gibt es unzählige Artikel mit Interviews und Meinungserörterungen.

In diesem Artikel allerdings will ich mich einmal mit den zwei am häufigsten gebrachten Aussagen und Gegenargumenten auseinandersetzen. Sie kommen von Schülern, Lehrern und unzähligen anderen Menschen.


„Aber dann doch wenigstens Sonntags.“


Gehen die Schüler zu FFF müssten sie eigentlich (meistens jedenfalls) in der Schule sein. Aus diesem Grund ist der Streik auch gleichzeitig Schwänzen des Unterrichts. Und somit ist es naheliegend, dass einer der Sätze, die man zu dem Thema hört, „Einsetzen fürs Klima schön und gut, aber dann doch wenigstens am Sonntag.“ ist.


Ganz optimistisch gesagt, geht dieses Argument aus einem Missverständnis hervor.

Der Sinn der Demonstration, unabhängig von den konkreten Zielen (siehe Homepage von FFF), ist es, die Menschen wach zu rütteln. Sie zum Nachdenken und Hinterfragen zu bringen, ein Zeichen zu setzen. Gehen die Schüler nicht zur Schule, sondern stattdessen auf die Straße, um sich für (zum Beispiel) möglichst umfassende, schnelle und effiziente Klimaschutz-Maßnahmen einzusetzen, erregt das schnell Aufmerksamkeit. Möglichkeiten, all den Schulstoff zu lernen, gehen verloren. Es wird gegen die Schulpflicht verstoßen. Und dazu werden bei den ganz großen Streiks öffentliche Verkehrsmittel behindert und einige Menschen haben große Schwierigkeiten, zur Arbeit zu kommen. So viele Gründe um sich aufzuregen.

Doch, die haben die Demonstranten auch.


„Wir sind nicht nur verantwortlich für das, was wir tun, sondern auch für das, was wir nicht tun.“

Molière


Das Pariser Abkommen ist die verbindliche Grundlage für effektive Klimaschutzmaßnahmen, die auf internationaler Zusammenarbeit basiert. Doch der aktuelle klimapolitische Kurs in Deutschland ist mit diesem Abkommen unvereinbar. Nur 16 der 197 Länder, die das Pariser Abkommen unterzeichnet haben, haben einen nationalen Klimaaktionsplan definiert, der ehrgeizig genug ist, um die Zusagen tatsächlich auch zu erfüllen.

Das geht aus einer Studie im Vorfeld der UN-Klimakonferenz 2018 hervor. Vor strikten Maßnahmen steht ein Verlangen nach Geld und Macht. Damit ist nicht gesagt, dass eine Politik zum Schutz des Klimas einfach ist. Aber betrachtet man die Vorgehensweise der vergangenen Jahre im Anbetracht der Umstände, stellt sich mir die Frage, ob es überhaupt eine gab. Erst 2019 wurden in Deutschland Klimaziele gesetzlich festgelegt.

Die möglichen Folgen des Klimawandels und die Menge an Zeit, die wir haben, um diese zu vermeiden, sind schon deutlich länger bekannt. Und selbst ob das Klimapaket wirklich ausreichend ist, steht definitiv zur Debatte.


Und jetzt gib es uns. Die Generation Z außerhalb all der Politiker, die die Folgen ihrer Entscheidungen wohl am wenigsten erleben werden. Entscheidungen, die den Klimawandel als ein kleines Nebenbeiproblem erscheinen lassen. Aber das ist er nicht. Aus diesem Grund haben wir das Recht, uns zu wehren. Wir haben das Recht, wütend zu sein. Um die Aufmerksamkeit zu bekommen, die wir brauchen, gehen wir dann eben ein paar mal nicht zur Schule. Es ist die Nachricht, dass eine Veränderung der Herangehensweise wichtig ist und dass wir uns einsetzen. So funktioniert ein Streik. Wenn Lehrer oder Busfahrer streiken, tun sie das dann, wenn sie sowieso nicht arbeiten müssen? Nein. Ein Streik soll Druck ausüben und ein Zeichen der Wehr setzen. Und diese beiden Kriterien sind nur ein paar der Dinge, die wir brauchen, damit die Politik anfängt effizienter mit dem Thema Klimawandel umzugehen.


„Die wollen doch nur nicht in die Schule.“


Schule ist wohl von den wenigsten die liebste Lieblingsbeschäftigung. Erwachsene wissen das, die Schüler selbst wissen das. In Verbindung mit Beobachtungen und Aussagen wird schnell klar, dass es Personen gibt, die Fridays For Future als etwas ganz anderes „verwenden“, als zum ernsthaften demonstrieren.

Beispielsweise als Ausweg aus den sechs Stunden Unterricht. Oder als „Push des Images“. Zu FFF gehen wirkt politisch engagiert, vielleicht sogar ein wenig rebellisch. Warum also nicht ein bisschen mitlaufen und ein paar Videos auf Instagram posten, damit auch jeder sieht, dass man gerade da ist, wo alle sind? Denn das ist FFF wohl mittlerweile auch: Ein Trend, dem viele folgen. Nach dem man ein paar Stunden da war, geht man vielleicht irgendwas essen. Ist McDonalds in der Nähe, geht man halt dorthin. Dass der Konzern Massentierhaltung betreibt und große Anteilnahme an der Zerstörung des Regenwaldes hat, ist da mal schnell egal.

Ohne Zweifel, solche Teilnehmer von FFF gibt es. Und davon viel zu viele. Aber der Streik selbst und ihre Mitläufer sind bei vielen Kriterien von einander zu trennen.

Sieht man diese riesige Menge an Jugendlichen durch die Straßen ziehen, die alle für dasselbe kämpfen, dann ist da erstmal egal, was die einen danach machen oder die anderen davor gemacht haben. Wichtig ist das, was entsteht und was in den Köpfen der Leute passiert. Natürlich ist es nicht sonderlich gut für das Signal, das FFF setzen will, wenn ein paar dort mit Coladosen rumlaufen.

Aber um es komplett in den Dreck zu ziehen sind es einfach nicht viele genug. Es ist nicht so, dass ein paar Schulschwänzer einen Trend in die Welt gesetzt haben, damit wir eine Ausrede fürs Schwänzen haben und so tun, als würden wir etwas für unsere Zukunft tun. Dass es Menschen gibt, die FFF nicht ernst genug nehmen, ist ein Nebeneffekt der Größe, die die Demonstration erlangt hat. Aber so ist das eben. So ist es auch bei vielen anderen Demos. Und das, was man jetzt tun sollte, ist nicht FFF durch diesen Effekt als „Trend mit vorgegaukelt gutem Zweck“ darzustellen und anzufeinden, sondern eventuell mit den Leuten reden. Sie fragen, ob sie es nicht fragwürdig finden, gegen die Zerstörung zu kämpfen und gleichzeitig dazu beizutragen. Und das ist die Frage, die wir uns alle auch selbst stellen sollten.


Wie weit wollen wir Mittäter an den möglichen Katastrophen sein?

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