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  • AutorenbildElisabeth

Klimastreik 19.3.

Aktualisiert: 21. März 2021

Es ist 4:30 Uhr, als mein Wecker klingelt. 4:30 Uhr morgens. Ich stehe so leise wie möglich auf und mache mich fertig – frühstücke schnell, ziehe mir mehrere Schichten Pullis an, und packe meinen Rucksack fertig, der bis zum Rand mit Essen und andere Dingen gefüllt ist. Dann verlasse ich das Haus. Es ist noch zappenduster, während ich zum Sbahn-Hof radel; In der Bahn treffe ich dann die anderen. Müdigkeit spüre ich nicht, dafür bin ich viel zu aufgeregt.


Um 6:30 Uhr kommen wir dann bei der Oberbaumbrücke an. Nicht weit davon entfernt mischen wir mit ca. 10 anderen die Farbe aus Wasser und Kartoffelstärke an. Es ist kalt, es ist nass, es ist zu früh, um wirklich die Menge an Schlaf bekommen zu haben, die man braucht. Trotzdem ist die Stimmung nicht schlecht – ein wenig angespannt vielleicht. Jemand stellt das Radio an. Es ist Radio Teddy, aber niemand beschwert sich. Jeder ist in seine Arbeit versunken, spricht sich mit seiner Arbeitsgruppe ab. Es wird gerechnet und abgemessen, die Menge an Farbe muss exakt portioniert sein. Letzten Endes machen wir es doch eher Pi mal Daum, so nach Gefühl schütten wir die Farbpigmente in die Eimer. Als alles fast fertig ist, werden wir zusammengerufen – es gab einen Rechenfehler und die Menge an Farbe muss versechsfacht werden. Außerdem fehlen 60 Eimer, um die verschiedenen Farben abzufüllen. Die Stimmung sinkt in den Keller. Das Radio bleibt an, gut gelaunt reden zwei Moderatoren über irgendetwas Belangloses und witzeln sorglos herum – bescheuert, denke ich mir. Dann fängt es an zu schneien – auch das noch. Aus einzelnen Schneeflocken wird regelrecht ein Schneesturm. Mit Greta laufe ich zur Oberbaumbrücke, wo schon fleißig mit Kreide vorgemalt wurde. Ich muss schlucken, als ich sehe, dass die Kreidespuren hier und da schon wieder verschwinden. Ob das was wird? Vielleicht sollten wir einfach sofort kapitulieren, bevor die Niederlage noch größer und schmerzhafter wird. Aber „kapitulieren“ gehört nicht zum Wortschatz von Fridays for Future. Wir arbeiten also weiter.


Während ich mit Greta die Bündnispartner*innen auf der Brücke interviewe, verliere ich aus den Augen, ob das Farb-Misch-Eimer-Problem gelöst wurde. Es hat aufgehört zu schneien, hin und wieder kommen noch Regenschauer. Meine alten kaputten Chucks waren definitiv keine gute Wahl für heute, irgendwie ist Wasser hineingedrungen und meine drei Schichten Socken sind durchnässt. Meine Füße fühlen sich an, als würden sie jeden Moment abfrieren und nur der Gedanke an mein warmes, gemütliches Zuhause, das mich in ein paar Stunden erwartet, gibt mir die Energie, weiterzumachen.


Zwei Stunden später ist das Aktionsbild fertig. Ich habe keine Ahnung, wie aus dem nichts noch 60 Eimer und über 100 Liter Farbe hergestellt wurden, aber da ist es nun, auf die Straße gemalt: Acht Kreise, vier rechts, vier links, in der Mitte unser Hashtag „Another world is possible“. Jeder Kreis hat ein Thema und stellt eine Utopie dar. Die Themen sind Mobilität, Ernährung, Gesundheit, Antirassismus, globale Gerechtigkeit, Energie & Bau, Naturschutzcf und Solidarität. Ca. 30 Organisationen waren dort und haben uns beim Malen unterstützt, völlig Fremde wurden für zwei Stunden ein Team, das gemeinsam für eine bessere Zukunft kämpft. Dieses Erlebnis, diese Atmosphäre, ist einfach wahnsinnig. Mit Ehrfurcht (und jede Menge Stolz) schaue ich mir das Ergebnis an.

Fridays for Future hat mal wieder Unmögliches möglich gemacht. Trotz schwieriger Wetterlage, fehlender Farbe und Eimer, allgemein erschwerter Bedingungen, unmotivierter Behörden und so weiter und so fort, haben wir ein Kunstwerk erschaffen, das Unglaublich ist. Und das alles, by the way, wegen Corona (fast) nur über Videokonferenzen organisiert.


Ca. 1 Stunde darf unser Kunstwerk auf der Straße bleiben. Dann kommt die BSR und mehrere Monate mühevolle Organisation wird einfach so weggeschrubbt. Doch die Farbe mag vielleicht weg sein, die Erinnerung und der Eindruck, die Hoffnung und die Gemeinschaft, all das bleibt bestehen. Ja, wir sind eine wütende, aufgebrachte Organisation, wir schimpfen auf die Politik und fordern radikale Änderungen – doch heute sind wir einfach nur friedliche Jugendliche, die Malen und Hoffnung verbreiten wollen. Letztendlich sind wir die eine Menschheit, die zusammenhalten und nicht gegenseitig mit dem Finger auf sich zeigen muss, um die Klimakrise zu überwinden.

Wir sind alle auf einer Seite.


Ich bin froh und unglaublich dankbar, Teil von FFF zu sein. Teil einer Gemeinschaft, die unglaublich gut organisiert und strukturiert ist, in der wahnsinnig tolle Menschen sind. Zugegeben, ich bin stolz, ein paar der Menschen mittlerweile meine Freunde nennen zu können.

Wir sind nicht perfekt, aber wir alle geben unser Bestes. Immer. Bedingungslos. Zu jeder Zeit.





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